Zen oder die Kunst des Strickens


Eingeholt hat sie mich wieder, als ich mitten im Winter der Reduziertkiste vor einem Wolleladen nicht widerstehen konnte: meine Stricklust. Zuletzt hatte ich mich ihr in meiner Jugend hingegeben. Es begann mit einer Boppelmütze für meine Tochter - inzwischen habe ich schon viele davon gestrickt und neue Ideen stehen schon Schlange.

Stricken? - Was will sie denn damit in ihrem Newsletter, werden Sie sich vielleicht fragen. Ist das nicht was für Omas? Und was soll das für einen tieferen Sinn haben?


Vom Kopf in den Körper


Wenn ich stricke, bin ich ganz bei mir. Ich schaffe es, aus dem Kopf in den Körper und zur Ruhe zu kommen. Ich empfinde das regelmäßige Klappern der Nadeln, die gleichförmige Handbewegung als meditativ, kann mich ganz hineinversenken. Mein Geist kann derweil Ausflüge machen oder einfach abschalten und sich dem Tun der Hände hingeben. Für mich ist Stricken eine wunderbare Art, mich zu erden, mich zu fokussieren und zu entspannen.

Vielleicht ist Handarbeit gar nicht Ihr Ding - und das ist gut so. Würde jeder seine Pullis selber stricken, wo käme denn die Kleidungsindustrie hin? Scherz beiseite:

Wir alle brauchen von Zeit zu Zeit die Möglichkeit, vom Kopf und den vielen Gedanken und Vorhaben, die uns beschäftigen, wieder in den Körper und zur Ruhe zu kommen. Wir alle müssen uns gelegentlich erden und entspannen.

Für mich ist eine Möglichkeit dazu eben das Stricken, eine Bekannte sagte dasselbe über das Nähen. Hand-Werkeln mit Holz oder anderen Materialien, Malen, Tonen, Töpfern - all das bringt den Kopf in die Hände. Manche gehen an die frische Luft und machen einen zügigen Spaziergang, um sich zu erden und ihren Körper wieder zu spüren, andere treiben Sport. Auch Musizieren hat für viele eine entspannende und zentrierende Wirkung.

Letztlich ist alles, worin wir uns verlieren können, dem wir uns hingeben können, eine Gelegenheit, ganz bei uns selbst anzukommen.


Und Ihre Leidenschaft?


Haben Sie ein begrabenes Hobby, eine Leidenschaft, die Sie früher in Fluss gebracht hat und die sich über die Jahre (und die Verpflichtungen) verloren hat?
Wie kommen Sie vom Kopf in den Körper?
Was hilft Ihnen am meisten, zur Ruhe und bei sich anzukommen?
Wie verbinden Sie sich wieder mit der Erde und mit sich selbst?

Nehmen Sie sich Zeit für diese scheinbar unscheinbaren kleinen Dinge, die so gar keinen Nutzen zu erfüllen scheinen. Erinnern Sie sich an das, was Sie früher gerne getan haben, was Ihnen Freude gemacht hat - vielleicht flammt eine alte Liebe neu auf. Vielleicht finden Sie auf diesem Weg wieder ein Stück zu sich zurück und schöpfen neue Kraft daraus. Kommen Sie bei sich an - und entwickeln Sie sich weiter!

Ich für meinen Teil habe schon vor, mich im Sommer auch mal mit den luftigeren Häkelmaschen zu beschäftigen. Neues, geboren aus Altem - wer hätte das gedacht? Und immer wieder zurück zu meiner Mitte.


Variationen des Strick-Zen


Wie habe ich mich gefreut, dass sich mit dem etwas speziellen Thema des letzten Newsletters (Zen oder die Kunst des Strickens) doch einige Menschen angesprochen gefühlt haben. Die Reaktionen darauf und die Erfahrungen zweier Leserinnen möchte ich gerne mit Ihnen teilen.


Eva Beschorner schrieb:

Das, was mich in die Ruhe bringt, ist mein Akkordeon-Spiel, seit ca. zwei Jahren lerne ich mit einer Freudin zusammen Akkordeon, und viel zu oft vergesse ich das Üben, weil ich zu faul :-( bin, weiß auch nicht wieso, und wenn ich dann aber spiel, denke ich jedes Mal, wow, das tut soo gut, das musst du jeden Tag machen... nun, ich versuchs ;-)


Hermine K. Doischer Hamberger schrieb:

Wie alles anfing? Ich konnte nie Socken stricken und lernte es vor 2 Jahren in einer Strickgruppe. Ich wollte endlich wissen, wie es geht. Während des Lernens machte ich zunächst erneut die Erfahrung, dass aller Neubeginn in meinem Leben stets mit Begrenzung verknüpft ist. AC in Löwe Konjunktion Saturn. Schon das Aufnehmen der Maschen. Nicht "mal eben" und schon rutschte die Masche oder es fehlte eine. Falsch gezählt. Ablenkung durch mangelnde Konzentration auf das Wesentliche. Das Wesentliche waren eben jetzt die Maschen. Merkur im Nullgrad-Bereich von Wassermann im 6. Haus. Wieviel Anfänge ich hatte? Ich weiß es nicht mehr. Bis ich verstand. Konzentration bei selbst so "einfachen" Dingen, wie Stricken, das fordert Saturn. Diejenigen, die meine Mühen beobachteten, gaben mir den Rat, Socken zu kaufen. Ich lernte, dass es für mich besser sei, alleine zu stricken, keine Unterhaltung, keine Musik. Nur die Nadeln, die Wolle und ich. Ich wurde innerlich ruhiger. Ich konzentrierte mich auf eine solch' simple (=nicht intellektuelle) Sache. Es wurde zu einem Ritual, morgens nach dem Frühstück, der Griff zu den Nadeln. Ich habe nie über meine Erfahrung gesprochen, die du so treffend bezeichnest: "Zen oder die Kunst des Strickens". Das ist es für mich heute.


Christiane König teilte mir am Telefon mit:

Am besten kann ich loslassen und mich entspannen, während ich abspüle oder staubsauge. Diese alltäglichen Tätigkeiten lassen meinen Kopf leer werden und ich empfinde sie als meditativ. Ist es nicht auch so bei den Nonnen und Mönchen im Kloster, dass sie alltägliche Aufgaben und Pflichten verrichten und so dem Göttlichen näher kommen?


Ganz herzlichen Dank für diese Offenheit und das Mit-Teilen!



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