"Ehre ein Kind und es wird dich ehren"


Mal wieder hat mich ein Spruch auf dem Anhänger meines Yogitees zum Nachdenken gebracht, zumal es ein Thema ist, das mich selbst sehr beschäftigt: der respektvolle Umgang mit Kindern.

Was bedeutet das: "ein Kind ehren", "respektvoller Umgang mit dem Kind"?

Früher hieß es, das Kind muss gehorchen. Es hat zu tun, was die Eltern oder andere Erwachsene wollen. Es hat anständig zu sein und soll die Eltern ehren.

Dann hieß es, das Kind kann tun und lassen, was es will, völlig ohne Grenzen und ohne Halt: die so genannte - und vielerseits gefürchtete - Laissez-faire-Erziehung.


"Das Kind ehren"


Heißt das, ich soll (m)ein Kind vor morgens bis abends verwöhnen, es bedienen und all seine Wünsche erfüllen, auch wenn es mir selbst nicht mehr gut dabei geht?

Ich meine nicht.

Ich denke, ich ehre ein Kind, indem ich es in seinem So-Sein annehme, indem ich es liebevoll auf seinem Weg in und durch das Leben begleite, für es da bin, wenn es mich braucht. Ich ehre ein Kind, indem ich seine Bedürfnisse wahrnehme und erfülle - und es seinen Weg gehen lasse, wenn es selbst dies will. Ich ehre es, indem ich seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten anerkenne.

Ich ehre ein Kind auch, indem ich mich selbst ehre. Indem ich mich selbst in meinem So-Sein annehme, mich liebevoll auf dem Weg durch mein Leben begleite, für mich da bin, wenn ich mich brauche. Ich ehre mich selbst, indem ich meine Bedürfnisse wahrnehme und sie erfülle - und mich meinen Weg gehen lasse, wenn ich selbst dies will. Ich ehre mich, indem ich meine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten anerkenne.

Warum? - Dadurch erlebt das Kind, dass jeder Mensch es wert ist, sich selbst zu ehren und geehrt zu werden. Es erfährt, dass wir alle gleich-würdig sind, wie der dänische Pädagoge Jesper Juul es ausdrücken würde.


Funktioniert das auch im Alltag?


Durch ihre Präsenz und das, was sie tun, können Kinder uns dazu bringen nachzuspüren, ob wir uns selbst wirklich und wahrhaftig in dem obigen Sinne ehren - und dadurch erst fähig sind, auch die Kinder in diesem Sinn zu ehren.

Zugegeben, das sind hohe Ansprüche. Zumindest empfinde ich es manchmal so. Der Alltag bringt Situationen mit sich, die uns an unsere Grenzen bringen können. So weit, dass wir nicht einmal mehr wissen, was wir selbst gerade brauchen, geschweige denn das Kind. Auch das gibt es. Und gerade aus diesen Situationen können wir lernen und gemeinsam mit dem Kind wachsen.


Wie können wir mit solchen Situationen umgehen?


Zu allererst: Atmen, im Hier und Jetzt sein und wahrnehmen, was gerade passiert.

Und dann: Uns selbst annehmen, uns verzeihen, dass wir vielleicht gerade recht unehrenhaft mit dem Kind und mit uns selbst umgehen. Häufig entspannt sich die Lage schon dadurch.

Schließlich: Hinspüren, reflektieren und herausfinden, was diese Situation ausgelöst hat. Oft stecken eigene Themen dahinter, die das Kind uns spiegelt. Diese Themen können wir uns anschauen (zum Beispiel in einer Aufstellung), würdigen und vielleicht auch mit der Zeit unseren Frieden damit machen.


Was bringt das dem Kind?


Es wird entlastet. Es ist nicht mehr "schuld" an meinem Unwohlsein oder an einem Konflikt. Es hat seine Bedürfnisse ausgedrückt und ist damit an meine Grenzen und vielleicht einen wunden Punkt gestoßen. Das ist etwas anderes. Und das spürt das Kind. Dadurch fühlt es sich respektiert und geehrt - und kann mich auch ehren in meinem So-Sein.

Jetzt können wir gemeinsam eine Lösung finden, die die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt.

Ich würde also den weisen Yogitee-Spruch etwas erweitern:

Indem ich mich selbst ehre und in meinem So-Sein annehme, kann ich auch ein Kind ehren und in seinem So-Sein annehmen. Und dadurch kann schließlich das Kind mich ehren und in meinem So-Sein annehmen. Auch wenn nicht immer alles perfekt läuft.


Was meinen Sie?


Es gibt viele Facetten dieses Themas. Diese Reflexion war nur eine davon. Vielleicht fallen Ihnen noch andere dazu ein, dann lade ich Sie herzlich ein, diese mit den anderen LeserInnen zu teilen. Schreiben Sie mir eine .




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