Letztens war es mal wieder so weit: Ich war stinkewütend!
Ich habe es schon kommen gespürt - es fing im Bauch an und arbeitete sich seinen Weg hoch. Der Pegel stieg kontinuierlich und mit erschreckender Kraft. Diesmal war an Unterdrücken nicht zu denken, also ging ich - gerade rechtzeitig - in die Küche, schloss die Tür hinter mir und stieß einen furchterregenden Schrei aus, der ganz aus meiner Mitte kam.
Es gibt da ja viele Möglichkeiten:
Sie können sie zum Beispiel unterdrücken.
Das ist sicher eine der beliebtesten Möglichkeiten, denn es schickt sich ja nicht, einen Wutanfall zu haben. Eltern kennen das Gefühl, wenn ihre Kinder im Supermarkt einen solchen aufs Parkett legen: Ist das peinlich! Alle Leute gucken missbilligend und warten, was die Mama oder der Papa denn jetzt wohl machen. Und Erwachsene machen so etwas schon gleich gar nicht. Wer schreit schon seinen Chef an, wenn ihm etwas nicht passt? Es gehört sich einfach nicht.
Sie können sie auch nach innen richten.
Auch sehr beliebt. Und letztlich eine Folge der ersten Möglichkeit. Vielleicht schlagen Sie mit der Faust gegen etwas und verletzen sich oder schneiden sich beim Zwiebeln Schnippeln in den Finger. Manche greifen auch zur nächstliegenden Schokoladentafel, um das Gefühl zu verarbeiten.
Oder Sie lassen sie schlicht und ungeschminkt raus.
Wenn Unterdrücken und nach innen richten nicht funktioniert - oder nicht erwünscht ist, kommt die Wut auch schon mal mit voller Wucht und ungefiltert heraus. Und trifft entweder die Person, die sie scheinbar ausgelöst hat oder sogar noch völlig Unbeteiligte. Huch, was ist denn jetzt los?
Bei dieser Variante gibt es wohl den größten Kollateralschaden. Denn meist trifft sie Menschen, die mit dem Entstehen dieses Gefühls gar nichts zu tun haben - nicht mal der scheinbare Auslöser.
Sie ist ja ein überaus wichtiges und wertvolles Gefühl - an sich.
Sie sagt uns: Schau mal, da gibt es etwas, mit dem es dir überhaupt nicht gut geht und das musst du sofort ändern.
Sie zeigt uns auch: Wow, hast du Power! Da steckt ja eine unbändige Kraft dahinter. Wie möchtest du die einsetzen?
Wenn wir nur den Anfangsbuchstaben auf den Kopf stellen, dann wird aus Wut Mut. Um aus der Wut Mut zu machen, müssen wir uns also nur auf den Kopf stellen und die Perspektive ändern. Weg vom äußeren Aufhänger, hin zur wirklichen Ursache.
Unsere Wut fordert uns auf, den Mut aufzubringen und Dinge zu ändern, die für uns nicht stimmen und die uns nicht gut tun. Also durchaus mal dem Chef die Meinung zu sagen, nur so, dass er sie auch annehmen kann.
Da kann es hilfreich sein, das unmittelbare Gefühl zuerst heraus - und Dampf ab - zu lassen. Als allererste Erste-Hilfe-Maßnahme hilft meist: mindestens drei Mal tief durchatmen, den Atem spüren und wieder bei sich anzukommen. Wenn Sie noch mehr brauchen, stellen Sie sich vielleicht auf einen hohen Berg oder ziehen sich in den Keller zurück und lassen einen tiefen, langen Urschrei los. Oder Sie fahren ins Grüne, schließen sich ins Auto ein und schreien einfach unmittelbar heraus, was Ihnen nicht passt. Oder, oder, oder - Ihnen fallen sicher noch andere Entdampfungsmaßnahmen ein.
Dann können Sie sich darüber klar werden, was hinter der Wut steckt: nämlich ein unerfülltes Bedürfnis und ein Wunsch, was Sie gerne anders hätten. Danach lassen Sie sich einen Termin beim Chef geben und können ihm mutig und klar erklären, was Ihnen nicht gefällt und was Ihnen lieber wäre. Jetzt ist die Situation offen für einen Austausch, bei dem sich Dinge klären lassen und Neues entstehen kann.
Dies ist natürlich nur ein Beispiel und es gibt viele andere Möglichkeiten, die Medaille umzudrehen und die Wut in Mut zu verwandeln. Hilfreich bei der Umwandlung und Umsetzung ist in jedem Fall die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Hier wird das Gefühl gewürdigt, dem anderen mitgeteilt und ein Wunsch geäußert. Jedoch ohne dem anderen Schuld zuzuweisen. Die Verantwortung bleibt bei einem selbst. Wer mehr wissen möchte, findet in diesen beiden Büchlein einige Anregungen:
Marshall B. Rosenberg: Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten.
Marshall B. Rosenberg: Das können wir klären. Wie man Konflikte friedlich und wirksam lösen kann.
Wie gehen Sie mit Ihrer Wut um? Wann haben Sie sie zum letzten Mal in Mut verwandelt? Ich freue mich wie immer auf Ihre Erfahrungen und Anregungen. Schreiben Sie mir doch eine .