Innehalten beim Händewaschen


Wie oft am Tag waschen Sie sich die Hände?

Keine Sorge, es geht mir nicht um Ihre persönlichen Hygienevorstellungen. Ich möchte gerne eine Erfahrung mit Ihnen teilen, die ich beim Elternabend unseres Kindergartens gemacht habe. Da hat uns eine Begleiterin eine von Maria Montessoris Übungen des Alltags gezeigt, die sie auch den Kindern anbietet. Für die anwesenden Eltern war dies eine Möglichkeit, am Kindergartengeschehen teilzuhaben und nebenbei das "banale" Händewaschen noch einmal neu zu betrachten.


Die Utensilien


Auf einem Tisch stehen eine große Schüssel, breit und flach genug, um den Händen Raum zu geben, eine Karaffe voll Wasser, ein Schälchen mit Seife, eine Hand- oder Nagelbürste und ein Handtuch. Unter dem Tisch: ein kleiner Eimer, eine Wanne mit Spülbürste und einem Lappen.

Die Vorführung findet in Stille statt.


Eine Hand wäscht die andere


Die Begleiterin sitzt vor dem Tisch mit der Schüssel. Sie gießt etwa zwei Drittel des Wassers in die Schüssel und setzt die Karaffe vorsichtig auf dem Tisch ab. Nun befeuchtet sie ihre Hände von allen Seiten, nimmt die Seife und reibt sanft ein wenig davon ab, bevor sie sie wieder zurücklegt. Sie reibt die Handflächen aneinander und verteilt den entstehenden Schaum mit einer Hand auf dem Handrücken und den Fingern der anderen. Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger und schließlich der kleine Finger - jeder bekommt besondere Aufmerksamkeit und wird rundum mit Schaum verwöhnt. Vom Ansatz bis zur Spitze streift die andere Hand die einzelnen Finger aus - Streicheleinheiten für die Hände, die so Vieles am Tag bewegen.

Die gleiche liebevolle, ungeteilte Aufmerksamkeit erfährt auch die andere Hand.

Die Nagelbürste streift mit Bedacht um jeden Fingernagel und reinigt ihn von allen Seiten.

Nach dem Einseifen und Bürsten wäscht die Begleiterin beide Hände genauso achtsam in der Schüssel ab. Wieder erhalten Handflächen und -rücken sowie jeder einzelne Finger die reinigende Zärtlichkeit.

Ist die Seife abgewaschen, umhüllt das Handtuch die eine Hand und trocknet bedacht und gründlich die Innenfläche, den Rücken und wieder jeden einzelnen Finger, bis alle Feuchtigkeit von der Haut verschwunden ist. Dann die andere Hand.


Sauberkeit auch danach


Schließlich gießt die Begleiterin das Seifenasser aus der Schüssel in den kleinen Eimer ohne einen Tropfen zu verschütten. Sie leert das restliche Wasser aus der Karaffe in die Schüssel, reibt sie mit der Spülbürste aus, entleert auch dieses Wasser und trocknet die Schüssel mit dem Tuch.

Der Tisch sieht wieder (fast) aus wie zuvor. Der Raum ist erfüllt von Stille und Achtsamkeit.


Meditatives Innehalten


Für die betrachtenden Eltern ist dies eine beeindruckende und meditative Erfahrung. Viele werden sich bewusst, wie nebenbei und flüchtig wir oft unsere Hände waschen und schon wieder auf dem Sprung zur nächsten Tätigkeit sind. Und dann: was für eine wunderbare Möglichkeit das Händewaschen sein kann, im Alltag einmal (oder mehrmals) innezuhalten, sich zu spüren, die Tätigkeit und Tatkraft der Hände zu würdigen und wieder ganz bei sich anzukommen! Auch wenn wir dazu in der Regel keinen Tisch mit Schüssel, sondern das Waschbecken mit Wasserhahn benutzen.

Vielleicht möchten auch Sie sich inspirieren lassen, sich ab und an diese Auszeit zu nehmen und das Nützliche und Notwendige mit dem Angenehmen zu verbinden. Wie immer freue ich mich über Ihre Erfahrungen und finde es schön, wenn Sie diese mit uns allen teilen wollen.


Wo gibt's denn so was?


Besagter Elternabend fand im Kindergarten des Aktiven Kinderhauses und derFreien Aktiven Schule in Tübingen statt. Hier erhalten die Kinder die Möglichkeit, sich frei und ihrem Wesen gemäß zu entfalten. Unterstützt werden sie durch achtsame und respektvolle BegleiterInnen, die sich an der Pädagogik Maria Montessoris, Rebeca und Mauricio Wilds sowie Elfriede Hengstenbergs orientieren. Falls Sie neugierig geworden sind, erhalten Sie hier mehr Informationen.




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